Links überspringen

Der erste europäische Workshop in Sosny, Polen

11.09.2005

Ohne polnische Hilfe hätten wir es nicht geschafft, wir wären gnadenlos untergegangen. Denn Torwart und Stürmer unserer Fußballmannschaft waren geliehene Spieler von der lokalen Elf aus Sosny. Dank ihnen konnten wir im traditionellen Fußballspiel des VKF gegen eine Dorfmannschaft bei einem 4:2 verlorenen Kick das Gesicht wahren. Auf den Platz sind wir schon müde getrottet, zu sehr steckte uns schon nach dem ersten Workshoptag die Arbeit an den verschiedenen Baustellen des Gutes in Sosny, ehemals Charlottenhof, in den Gliedern. Das hat dem Spaß am Spiel keinen Abbruch getan, die großartige Unterstützung durch unsere Fans tat ihr übriges. Beim gemeinsamen Feiern mit Fassbier, polnischen und deutschen Hits („Schni, Schna, Schnucki, das kleine Krokodil“) aus der Autoanlage konnten wir auch im Anschluss an den sportlichen Wettkampf Völkerverständigung erleben, wie wir uns das erhofft hatten.

Der erste VKF-Workshop außerhalb Deutschlands vom 11. bis 14. August 2005 hat sichtbare Spuren und bei den Beteiligten das Gefühl hinterlassen, ein sinnvolles Zeichen gesetzt zu haben. Die Idee, durch einen Workshop im EU-Neuland Polen wieder an die Gründungszeit des Vereins anzuknüpfen, hat Früchte getragen. Möglich wurde das vor allem durch die gute Zusammenarbeit mit der Besitzerin der Gutsanlage, Frau Marciniak. Sie und ihre Freundin Frau Beata bekochten uns nicht nur, sondern hatten unter anderem auch für einiges Gerät, junge Helfer und die Mobilisierung des Umkreises für ein Jazzkonzert gesorgt.

Doch der Reihe nach.

Nach längerer Suche nach einem geeigneten Austragungsort für unseren Workshop stießen wir eher zufällig auf Sosny im Powiat Gorzów/Kreis Landsberg (ca. 130 km östlich von Berlin). Die großherzige Gastfreundschaft und die zupackende Art von Frau Marciniak sowie das malerische Hofgut überzeugten uns. Die Gutsanlage besteht aus einem geschlossenen Wirtschaftshof mit einer imposanten Allee, die auf ein klassizistisches Herrenhaus ausgerichtet ist. An die Anlage schließt sich ein über 30 Hektar großer Landschaftspark an, der in Teilen stark verwildert ist. Während die Gutsanlage seit wenigen Jahren der engagierten Polin Marciniak gehört, ist der öffentliche Park weitestgehend im Eigentum der Gemeinde. Die Arbeiten verteilten sich über die gesamte Gutsanlage. Am Herrenhaus selbst wurde ein Behelfs- und Schutzdach für den Wintergarten gezimmert und mit Ondulinen gedeckt. Am Hausdach wurden Regenrinnen über dem Hauptportal mittels einer Hebebühne ausgebessert, um auch hier dem Regen keine weitere Einflussmöglichkeit zu geben.

Am seitlichen Rand der Anlage, neben dem alten Pferdestall samt Kutscherwohnung, befindet sich das wohl anspruchsvollste Objekt, das verspielte Taubenhaus. Hier wurden erst einmal die Reste des alten Daches abgebaut, um das Gebäude mit einem neuen Dach vor der Witterung zu schützen und den Verfall aufzuhalten. Dank der professionellen Hilfe der beiden Architekten Friedrich und Kathrin sowie der polnischen Helfer mit der Kreissäge gelang es, das komplette Dach bis Sonntag Mittag neu zu zimmern und ebenfalls mit Ondulinen zu decken. Im Park schufteten die meisten Teilnehmer unter der Anleitung der Landschaftsarchitektin Eva und mit tatkräftiger Unterstützung der jüngsten Dorfbewohner. Dank den Polnischkenntnissen von Anna klappte auch die Kommunikation und die Kinder schafften Unmengen an Gestrüpp weg, was den Motorsensen und der Motorsäge, der Machete und der Axt unterkam. Ganze Bäume, Sträucher und Brennesselfelder verschwanden in einem Häcksler und wurden mit kreischendem Lärm zu einem kleinen Haufen verarbeitet. Spaziergängern eröffnet sich jetzt ein Blick auf das Herrenhaus und auf den See, der nun einen breiten öffentlichen Zugang erhalten hat.

Dem Fußballspiel am Freitagabend folgte am Samstagabend zur Entspannung ein Konzert der eigens aus Berlin angereisten Jazzsängerin Jacubien Vlasman begleitet von Oliver Bott am Vibraphon. Vor der Kulisse des mit zwei Engeln gezierten Hauptportals des Herrenhauses verzauberte sie die aus der Umgebung herbeigeströmten Gäste mit ihrer eingängigen Stimme. Von der Umgebung konnten sich die Workshopteilnehmer am Sonntag einen Eindruck auf der Fahrt zum Brunch zum Pferdegestüt Bielin machen. Viele fuhren im Anschluss auf dem Rückweg nach Deutschland noch zu der ebenfalls in deutsch-polnischer Zusammenarbeit wiederhergestellten Kirche nach Chojna/Königsberg, wo wir eine Führung durch den Pfarrer erhielten.

Eine besondere Freude ist, dass der Workshop dank eines Beitrags für das Deutschlandradio Kultur und eines Films dokumentiert wurde und die Erinnerung multimedial wieder aufgefrischt werden kann. Für diejenigen, die des Polnischen mächtig sind, ist vielleicht auch ein Artikel im Lokaltblatt der für Sosny zuständigen Gemeinde Witnica interessant. Sowohl die Redakteurin vom DeutschlandRadio Kultur sowie der Filmautor begleiteten mit Mikrofon und Kamera den gesamten Workshop. Der Filmautor Thilo Geisler ist Freund der ehemaligen Bewohnerin des Herrenhauses, Annema von Klitzing, die mit ihrer Familie in jungen Jahren Sosny verlassen musste. Ihr war die Freude anzumerken, für drei Tage überall auf der Gutsanlage die Hämmer, Sägen und den Häcksler zu hören, die ihre frühere Heimat mit Leben erfüllten. Sie selbst lebt woanders, besucht ihre gute Freundin Frau Marciniak aber öfters, um zu sehen, wie die engagierte Polin sich unermüdlich für die Anlage einsetzt. Die neueste Idee ist die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung zum Erhalt des Hauses.

Es war schön, die gelebte deutsch-polnische Freundschaft der beiden Damen zu unterstützen. Der erste VKF-Workshop außerhalb Deutschlands hat nach einhelliger Meinung nicht nur allen Beteiligten Freude bereitet, sondern hoffentlich auch Mut zu weiteren Schritten gemacht. Die Verständigung mit dem zweitgrößten Nachbarland sollte auch mit den bescheidenen Mitteln des VKF über das deutsch-polnische Jahr hinaus vorangetrieben werden.

Alexander Taysen