Himmelfahrtsworkshop auf Schloss Durbe (Lettland)
28.05. – 02.06.2014
Ziel unserer Reise war in diesem Mai Schloss Durbe (bei Tukums), ein besonders schönes Beispiel klassizistischer Architektur in Kurland. Als einziges der frühen Herrenhäuser in Lettland, in dem die Innenausstattung aus dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Anfang des 20. Jahrhunderts erneuert wurde, vermittelt es als Museum einen Eindruck über die Kultur der Baltendeutschen und das gemeinsame kulturelle Erbe. Es liegt etwa eine Stunde Fahrtzeit von Riga – inmitten saftig grüner Landschaft mit typisch nordisch anmutenden Birkenwäldchen und nahe der Ostsee.
Einen ersten Eindruck bekommen wir – trotz Dunkelheit – bereits auf der Busfahrt vom Flughafen Riga nach Tukums und sind begeistert: Die Infrastruktur ist in hervorragendem Zustand, die Gärten und Häuschen sind mit Liebe und Geschmack gepflegt. Dieser erste Eindruck bestätigt sich auch in den nächsten Tagen.
Verschlafen erreichen wir unsere Unterkunft, das Landgut Šlokenbeka (Schlokenbeck), dem laut ausliegender Broschüre mittlerweile einzigen noch erhaltenen Beispiel eines befestigten Kurländer Landguts, erbaut im 15. Jahrhundert. So wie es einst im Falle von Angriffen den Landherren von Tukums als Zuflucht zu dienen bestimmt war, dient es jetzt – wie könnte es passender sein – uns (die wir als VKF selten so komfortabel untergebracht). waren).
Die Arbeiten beginnen früh am nächsten Tag, doch die Tukumer sind noch früher aufgestanden. Als wir Schloss Durbe erreichen, stehen Hacken und Spaten bereits in Reih‘ und Glied aufgereiht und erwarten uns neben einem Team des Museums und engagierten Tukumern zum Arbeitseinsatz. Wir werden herzlich von Inta Dislere, sehr engagierte Historikerin und erste Ansprechpartnerin bei der gesamten Workshop-Organisation, und Agrita Ozola, Direktorin des Museums in Durbe, auf Deutsch und Englisch begrüßt. Dabei wird uns außerdem berichtet, vielleicht auch, um uns ein wenig anzustacheln, dass der Stadtrat und das Dorf Tukums ja nicht so richtig glauben könnten, dass eine Gruppe junger Leute aus Deutschland tatsächlich ehrenamtlich 3 Tage in Durbe richtig arbeiten könne und wolle…; natürlich wollten wir sie Lügen strafen.
Wir hatten unterschiedliche Projekte. Ein Team von handwerklich Begabten und Tüftlern, unter strenger architektonischer Aufsicht von Miggi (Kathrin Hass), widmete sich der Errichtung einer hölzernen Aussichtsplattform samt Rampe, die sich die Bewohner Tukums für das Ende des Schlossvorplatzes gewünscht hatten. Unmittelbar angrenzend musste der erhöhte Standplatz der ehemaligen Wagenremise (dem Schloss direkt gegenüber) geebnet und von großen Findlingen, Bauschutt und anderem Gestein befreit werden, damit diese Stelle später wieder bepflanzt und genutzt werden konnte – ideale Arbeit für die kraftstrotzenden Herren, zu welchen selbstverständlich auch unsere jüngsten Mitfahrer Nikolaus, Wilderich und Julius zu zählen waren.
Der Großteil der VKFler beteiligte sich an unserem dritten Auftrag: Der Wiedererrichtung alter Wegeanlagen im Schlosspark auf der Rückseite des Gebäudes. Diese erfolgte auf der Grundlage historischer Pläne aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Wiedererrichtung hatte aber vor allem einen praktischen Wert – der leichtere Zugang zum Park für die Tukumer, der diese wieder verstärkt zum Verweilen einladen soll.
Was den Workshop so besonders machte, war auch, dass wir von den Tukumern so außergewöhnlich freundlich aufgenommen und umsorgt wurden. Das gute Gelingen des Workshops war maßgeblich von der guten Organisation und Mithilfe vor Ort geprägt. Von der Gastfreundschaft der Letten und deren unverkrampftem Umgang mit der deutschen Vergangenheit wurden wir sehr positiv überrascht. So arbeiteten wir intensiv gemeinsam an den Aufgaben und verbrachten eine sehr fröhliche Zeit miteinander.
Bereits vor unserer Ankunft hatte ein Team von Helfern vor Ort das Holz für die Plattform zurechtgeschnitten und die freizulegenden Wegeanlagen abgesteckt. An allen Aufgaben arbeiteten VKFler und Tukumer im Team zusammen, und die Tukumer brachten zum Teil sogar ihre Kinder mit. Jeden Tag erwartete uns ein köstlicher selbstgekochter Eintopf. Das unsere Niederlage beim üblichen Fußballspiel nicht noch schmerzlicher wurde, glich die Ortsmannschaft durch eine höfliche Aufforderung zum Spielertausch unter den Mannschaften gerade zu dem Zeitpunkt aus, als es für uns so richtig peinlich zu werden drohte. Und am Freitagabend empfing uns der Tukumer Stadtrat nach einer ausführlichen Schlossführung zu Buffet und Schwof mit Rockband im Schloss. Gemeinsam feierten wir dort sehr viel länger, als dies nicht nur unser immer freundlicher Busfahrer gedacht hatte, der uns erheblich später als geplant zu unserem Nachtquartier fuhr.
Besonders schön und anrührend war auch der Abschied vom „Museumsteam“ am Samstagnachmittag, als der VKF – nach „wider Erwarten“ getaner Arbeit – Richtung Ostsee fuhr. Jeder Teilnehmer des Workshops wurde von Frau Dislere einzeln aufgerufen und bekam eine Geschenktüte des Museums in Durbe überreicht. Verabschiedet wurde der VKF von der Museumsdirektorin mit den Worten „I love you“ – ein besseres Fazit für einen Arbeitseinsatz kann man sich nicht wünschen.
Sahnehäubchen des Aufenthaltes war dann das anschließend folgende Rahmenprogramm: Dem samstäglichen Ausflug in den Nationalpark Engure, einer nordisch anmutenden Seenlandschaft und einem Paradies für Vögel und Wildpferde, folgte ein Bad der besonders Hartgesottenen an der „Baltischen Riviera“. Anschließend ging es zu feuchtfröhlichem Abendessen und Tanz nach Bercziems in ein kleines Restaurant am Meer. Der Sonntag stand dann zur Stadtführung und Erkundung der Kulturhauptstadt Riga zur Verfügung, bevor es am nächsten Morgen in aller Frühe mit dem Flieger wieder nach Frankfurt ging.
Lettland – wir kommen wieder!
Nina Fürer und Helene Grimm